Ist Anzuchterde notwendig? Das Totschlag-Argument

Anzuchterde selber gemacht, Töpfe,

Mich treibt die Anzuchterde um. Es heißt, dass man zum Vorziehen von Gemüse Aussaaterde braucht. Dabei stellt sich mir eine bestimmte Frage in den Weg. Und die Antwort darauf ist ein Totschlag-Argument, das alle anderen Argumente über den Haufen wirft.

In dem Artikel geht es aber auch darum: Ich gehe der Frage nach, warum man Anzuchterde verwenden soll und wie ich darüber denke. Und ich verrate euch mein Rezept für Anzuchterde zum selber machen. Ein Rezept, das ihr so wahrscheinlich noch nirgends gelesen habt.

Gemüse ohne Anzuchterde

Warum überhaupt Anzuchtterde verwenden?

Kommen wir zunächst zu den Grundlagen, warum man (theoretisch) Auassaaterde verwenden muss.

Die Wurzeln der Keimlinge sterben bei zu viel Dünger oder werden faul

Behauptung: Aussaaterde ist notwendig, weil sie wenig Dünger enthält und das für die feinen Wurzeln der Sämlinge gut ist. Denn zu viel Dünger schadet ihnen.

Außerdem regt nährstoffarme Erde die Sämlinge dazu an, viele Wurzeln zu bilden. Denn wenn das Pflänzchen wenige Nährstoffe findet, muss es sich anstrengen, solche zu finden, muss es den Radius, wo es mit seinen Wurzeln sucht, erweitern. Und das funktioniert am besten über eine Nährstoffdiät.

So sehe ich das

Ich verstehe nicht, warum man die Keimlinge und dann Sämlinge hungern lassen soll, zumal, wenn man nur organisch gedüngte Erde verwendet? Kann es nicht sogar so sein, dass die Jungpflanzen auf der Suche nach kaum vorhandenen Nährstoffen hungern und langsamer wachsen, weil ihnen die Nährstoffe fehlen?

Vielleicht bezieht sich das Argument mit dem Überdüngen und damit einhergehenden Schädigung der Wurzeln auf mineralischen Dünger? Bei Kunstdünger muss ja immer alles genauestens dosiert werden. Mit dem habe ich allerdings keine Erfahrung, denn er kommt mir nicht ins Gemüse.

Aussaaterde muss steril sein

Behauptung: Aussaaterde muss steril sein, weil sonst die Keimlinge und Sämlinge von Schädlingen und Pilzen nur so überrannt werden. Gekaufte Anzuchterde ist steril. Und wer sie selber macht, kann sie im Backofen sterilisieren.

So sehe ich das

Das ist ein ganz schön großer Energieaufwand, die selbst gemachte Aussaaterde im Backofen zu sterilisieren. Und wenn ich mir dann vorstelle, dass vielleicht noch winzig kleine Tiere mit gebrutzelt werden …

Die meisten Pflanzen brauchen Mykorrhiza-Pilze. Pilze abzutöten, ist deshalb nicht sinnvoll. Pilze, die über den Kompost in das Anzuchttöpfchen kommen, zersetzen meistens die holzigen Teile, was aber die Sämlinge nicht stört.

Mit dem Sterilisieren tötet man nicht nur Pilze und Vielleicht-Schädlinge sondern auch Bakterien und andere Mikroorganismen, mit denen die Pflanze interagiert. Ist die Aussaaterde nach dem Sterilisieren nicht tote Materie?

Meine Jungpflanzen bilden auch ohne nährstoffarme Aussaaterde einen Haufen Wurzeln aus. Selten werden sie von Bewohnern in der Erde überrannt. Wenn so ein Sämling abstirbt hat das meistens den Grund, dass es ihm zu nass war.

Selbst Trauermücken habe ich nicht. (Mit einer Ausnahme: Im Winter 2022 habe ich mir mit einer Amaryllis Trauermücken ins Haus geholt. Sie kamen nicht aus meiner eigenen Erde!). Waren so wenige, dass ich sie mir einzeln schnappen konnte.

Ach ja! Einmal waren ein Regenwurm und zwei winzig kleine Nacktschnecken in meiner selbst gemachten Erde zum Vorziehen von Gemüse. Irgendwann findet man diese Tiere und kann sie retten.

Anzuchterde, Gemüse-Sämlinge vorziehen

Erfahrungen mit gekaufter Aussaaterde

Ich habe ein einziges mal Aussaaterde gekauft. Diese Spezial-Erde ist im Verhältnis dazu, dass nichts drin ist, sehr teuer.

Das Ergebnis war hundsmiserabel. Die Sämlinge litten extrem schnell unter Nährstoffmangel und sind nicht hochgekommen.

Kann man Anzuchterde selber machen?

Egal, wo man hinschaut. Überall gibt es die Empfehlung, aus den drei Zutaten Kompost, Gartenerde und Sand selber Anzuchterde herzustellen. Dafür soll man jeweils ein Drittel der genannten Bestandteile verwenden und alles mischen.

Ich habe das schon probiert, bin davon aber wieder abgekommen. Die Gartenerde (Maulwurfserde) ist bei uns viel zu lehmig und schwer. Da hatten es die Sämlinge schwer.

Meine Erfahrungen mit der selbstgemachen Anzuchterde aus den oben genannten Bestandteilen sind nicht die besten. Weil es außerdem sehr umständlich ist, verwende ich sie seit meinen missglückten Versuchen nicht mehr. Ich produziere meine alternative Anzuchterde nach meinem eigenen Rezept.

Aussaaterde – Alternative selber herstellen: Wie ich es mache

Damit ich im ausgehenden Winter zum Vorziehen von Gemüse trotz einer dichten Schneedecke Zugriff auf eigene Anzuchterde habe, stelle ich schon vor dem Winter einen Eimer voll Kompost an einen geschützten Platz beim Haus.

Wir haben nicht so viel Kompost, deshalb reicht er nicht für die Anzucht von Gemüse. Darum strecke ich ihn mit der Erde von im Topf angebautenTomaten oder Paprika.

Bevor ich im Herbst nach dem Abräumen der Gemüse einen oder zwei Pflanztöpfe (in den anderen wachsen Wintersalate und Postelein) leere, ziehe ich die oberste Schicht Erde ab. Sie kommt auf den Komposthaufen oder unter Sträucher und die restliche Erde im Tomatentopf mische ich mit dem Kompost im Eimer.

Ist stark verfilztes Wurzelwerk dabei, löse ich das ab. Ich sterilisiere nichts. Und hatte bisher keine Probleme, weder mit Schädlingen noch mit Pilzen oder anderen GesellInnen im Boden.

Aussaaterde Alternative selber machen

Meine Erkenntnisse mit Anzuchterde

Aussaaterde ist nicht notwendig. Mein Totschlagargument: Wenn es wirklich notwendig wäre, dass die Sämlinge hungern und vor schädlichen Pilzen, Bakterien und Bodenlebewesen geschützt werden müssten, warum sät man dann bei Direktsaat direkt ins Gemüsebeet?

Das müsste doch schiefgehen? Weil hier keins von den genannten Kriterien erfüllt ist: nicht steril, zu nährstoffreich, Schädlinge, Pilze, Kleinstlebewesen, die alle den Sämlingen an den Kragen wollen. Ist dieser Widerspruch außer mir noch niemandem aufgefallen?

Und was ist mit Unkrautsamen, wenn ich die Erde nicht sterilisiere? Ich gebe zu: Sie sind in meiner Aussaaterde, die ich selber herstelle. Jedoch kann ich das gekeimte Unkraut schnell aus dem Anzuchttopf zupfen.

Schauen die Keimlinge am Anfang wie die Keimblätter von Gemüsesamen aus, warte ich bis sie das erste echte Blatt entwickelt haben. Dann kann ich das „Unkraut“ sicher von Gemüse unterscheiden.

Außerdem steht der Eimer mit der Anzuchterde-Alternative im Freien. Sobald es etwas wärmer wird, keimen die Begleitkräuter in dem Eimer und ich kann sie auszupfen, noch bevor ich Gemüse im Anzuchttopf vorziehe.

Übrigens sind die Beikräuter meistens eh´ immer die gleichen Schlawiner wie bei uns die Vogelmiere. Und irgendwann erkennt man sie von vornherein. Die Keimblätter der Vogelmiere schauen einfach anders aus, als die der Tomaten.

Viel Freude in Garten und Natur

Sonja

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3 Kommentare

  1. Hallo Sonja,

    ich bin wild begeistert über deinen Artikel zur Anzuchterde.
    Nach dem ich bislang auch nur schlechte Erfahrungen mit gekaufter Aussaaterde gemacht habe, stellte ich mir heute die Frage: was macht die Natur denn mit ihren auf die Erde fallenden Samen? Und schon habe ich bei Dir die Antwort gefunden!
    Vielen Dank für die ausführliche Erklärung.
    Ich werde mich gerne noch weiter mit Deinen anderen Artikeln beschäftigen und bin gespannt, welch neue Erkenntnisse da noch auf mich warten.

    Mit lieben Grüßen
    Renate

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